Im Netzwerk der Berliner Moderne
22. Januar 2017 - 01. Mai 2017
Die pulsierende Metropole Berlin zog im frühen 20. Jahrhundert eine Vielzahl modern denkender Künstlerinnen und Künstler an. Die Künste waren im Aufbruch, unterschiedlichste Disziplinen befruchteten sich gegenseitig, mit alten Mustern wurde gebrochen.

Blick in das Ausstellungskapitel „Künstlerfreunde“ mit Arbeiten von Karl Schmidt-Rottluff und Ernst Barlach
In diesem kreativen Umfeld bewegte sich der junge Künstler Georg Kolbe (1877−1947), der alsbald zum erfolgreichsten deutschen Bildhauer dieser Generation aufstieg. Als wichtiger Porträtist, insbesondere in der Weimarer Republik, schuf Kolbe annähernd 200 Köpfe. Die verewigten Gesichter prominenter Persönlichkeiten vermitteln das Bild einer Epoche, die von Glanz und Widerspruch geprägt war.
Die Jubiläumsausstellung im Kolbe-Jahr 2017 zeigt den Bildhauer Georg Kolbe als modernen Netzwerker insbesondere in den Bereichen Kunst, Architektur, moderner Tanz, Politik und Gesellschaft.
Die rund 40 Porträtskulpturen in der Ausstellung zeigen unter anderem den sozial-demokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert, Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, den berühmten Chirurgen Ferdinand Sauerbruch von der Charité, den einflussreichen Kunstchronisten Harry Graf Kessler, Kolbes charismatischen Kunsthändler Paul Cassirer oder die Schriftstellerin und Pazifistin Annette Kolb.

Blick in das Bildhaueratelier von Georg Kolbe mit einigen seiner Porträtbüsten, vorne Ludwig Derleth
Ob als Mitglied der Berliner Secession oder später als Vorsitzender der Freien Secession, Kolbe suchte immer den Austausch mit seinen Kolleginnen und Kollegen. Die später berühmte Tierbildhauerin Renée Sintenis stand ihm als junge Frau Modell, zeitweise arbeitete er im selben Atelierhaus wie Max Beckmann. Er ging auf Reisen mit seinen Freunden Karl Schmidt-Rottluff und Richard Scheibe. Er pflegte eine enge Beziehung zu Max Liebermann und führte intensive Briefkorrespondenzen unter anderem mit Ernst Barlach oder Gerhard Marcks.

Blick auf die Skulptur Morgen von Georg Kolbe vor dem Barcelona Pavillon von Ludwig Mies van der Rohe (Großfotografie)
Seine Begeisterung für den expressionistischen Tanz führte ihn zu wichtigen zeichnerischen oder bildhauerischen Werken, die den Menschen in Bewegung zeigen. Die Stars der Ballets Russes, Vaslav Nijinsky oder Tamara Karsawina, inspirierten ihn ebenso wie die Wegbereiterinnen des Ausdruckstanzes Gret Palucca, Mary Wigman, Vera Skoronel, Charlotte Bara oder Ted Shawn, ein früher Pionier des American Modern Dance.

Georg Kolbes Skulptur Nijinsky und die dazugehörenden Studien im Ausstellungskapitel „Tanz“
Kolbes Skulpturen fanden in heute ikonischen Gebäuden der architektonischen Moderne ihre Aufstellung. Am bekanntesten ist sicherlich der „Morgen“ (1925) in Ludwig Mies van der Rohes Barcelona Pavillon (1929). Doch auch andere berühmte Architekten wie Walter Gropius, Bruno Taut, Hans Poelzig oder Henry van de Velde schätzten seine Skulpturen und brachten sie in Beziehung zu ihren modernen Bauten. Kolbe selbst setzte sich intensiv mit der Architektur der Moderne auseinander. Ein sichtbares Zeichen ist das Gebäude-Ensemble in der Sensburger Allee (1928/29), das Georg Kolbe Museum, mit dem er sich einen idealen und für seine Zeit außergewöhnlich modernen Ort für seine Kunst schuf.
Kritiken zur Ausstellung:
Tilman Krause in der Welt (25.01.2017): Durch Georg Kolbe wurde Berlin erst schön
https://www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article161484801/Durch-Georg-Kolbe-wurde-Berlin-erst-schoen.html
Nicola Kuhn im Tagesspiegel (25.01.2017): Nachmittage eines Bildhauers (Im Zentrum der Avantgarde)
http://www.tagesspiegel.de/kultur/georg-kolbe-jubilaeumsausstellung-im-zentrum-der-avantgarde/19297898.html
Ingeborg Ruthe in der Berliner Zeitung (26.01.2017): Der Hauspatron gibt eine Arbeitsparty
http://www.berliner-zeitung.de/kultur/georg-kolbe-ausstellung-im-netzwerk-der-berliner-moderne-25620580
Angela Hohmann in der Berliner Morgenpost (28.01.2017): Das Kabinett der Köpfe
http://www.morgenpost.de/kultur/article209423015/Kabinett-der-Koepfe.html
Georg Kolbe unter anderem mit:
Friedrich Ebert
Karl Schmidt-Rottluff
Ludwig Mies van der Rohe
Gret Palucca
Paul Cassirer
Walther Rathenau
Mechtilde Lichnowsky
Vaslav Nijinsky
Walter Gropius
Henry van de Velde
Ernst Barlach
Renée Sintenis
Annette Kolb
Harry Graf Kessler
Theobald von Bethmann-Hollweg
Ferdinand Sauerbruch
Max Liebermann
Tamara Karsawina
Gerhard Marcks
Ludwig Derleth
Ernst Ludwig Kirchner
Hans Prinzhorn
Ferruccio Busoni
August Thyssen
Max Slevogt
Conrad Ansorge
Wilhelm R. Valentiner
English Version:
In Berlin’s Modernist Network
January 22, 2017 to May 1, 201
In the early twentieth century, Berlin attracted a large number of modern-thinking artists. The arts were in an upheaval—a profitable reciprocal influence was taking place between the most diverse and old patterns were discarded. One of those active in this creative environment was the young artist Georg Kolbe (1877–1947), who would soon rise to become this generation’s most successful German sculptor. On the occasion of his 140th birthday, the Georg Kolbe Museum is celebrating his surprisingly diverse network encompassing art, architecture, politics, and dance with a large-scale exhibition featuring works from its holdings. The extensive show presents over 50 sculptures, numerous historical photographs, drawings, paintings, letters, and contemporary documents from the artist’s estate. Like a cosmopolitan cross-section it reflects Berlin’s development into an artistic and cultural metropolis.
A major portraitist especially during the Weimar Republic, Kolbe’s nearly 200 sculptures of prominent personalities convey the image of an epoch that was marked by brilliance and contradiction. A selection of circa 50 of these works are presented in the exhibition, including the Social Democratic President of Germany Friedrich Ebert and German Chancellor Theobald von Bethmann Hollweg, the famed surgeon Ferdinand Sauerbruch from the Charité and the influential art chronicler Harry Graf Kessler, Kolbe’s art dealer Paul Cassirer as well as the author and pacifist Annette Kolb.
Whether as a member of the Berlin Secession or subsequently as chairman of the Free Secession, Kolbe was in constant contact with his colleagues. The famous animal sculptor Renée Sintenis posed for him as a young woman and the artist also worked for a while in the same studio house as Max Beckmann. He later undertook trips with his friends Karl Schmidt-Rottluff and Richard Scheibe. Kolbe maintained close to Max Liebermann and carried out intense correspondences with Ernst Barlach and Gerhard Marcks, among others.
Kolbe’s enthusiasm for Expressionist dance resulted in major drawn or sculpted works showing persons in motion. He was inspired by Vaslav Nijinsky, the star of the Ballet Russes, as well as by such early modern dance pioneers as Gret Palucca, Mary Wigman, and Ted Shawn.
Kolbe’s sculptures have been installed in some of the most iconic examples of modernist architecture. The most famous of them is surely “Morning” (1927), which stood in Ludwig Mies van der Rohe’s Barcelona Pavilion (1929). But other renowned modern architects such as Walter Gropius, Bruno Taut, Hans Poelzig, and Henry van de Velde held his works in high esteem, connecting them to their own edifices. Kolbe’s own intense occupation with contemporary architecture found concrete visual manifestation in the landmark ensemble of structures in Sensburger Allee, the present-day Georg Kolbe Museum, where the artist created an ideal setting for his sculptures.