Das Atelierhaus-Ensemble, das sich der Bildhauer Georg Kolbe 1928/29 durch den Schweizer Architekten Ernst Rentsch und den Bauhausschüler Paul Linder erbauen ließ, stellt ein bedeutendes Beispiel der Berliner Architektur der 1920er-Jahre dar. Es ist das einzige zugängliche Künstleratelier dieser Epoche und gilt als prominente Reminiszenz an die Kunststadt Berlin und ihre weit ausstrahlende Internationalität in der Weimarer Republik.
Georg Kolbe arbeitete seinerzeit mit berühmten Architekten (Ludwig Mies van der Rohe, Walter Gropius, Bruno Taut, Hans Poelzig, Erich Mendelsohn, Henry Van de Velde) vielfach künstlerisch zusammen, diese Auseinandersetzung mit der modernen Architektur spiegelt sich im Bau seiner „Sensburg“. Beide Gebäude stehen heute unter Denkmalschutz. Im Winter 2015/16 wurde das Bildhaueratelier umfassend nach denkmalgerechten Grundsätzen saniert und im Juni 2016 wiedereröffnet.
In enger Zusammenarbeit zwischen dem Bauherrn und den Architekten, Ernst Rentsch und Paul Linder, entstand das bauliche Konzept, das einerseits auf die landschaftlichen Vorgaben − ein Waldweg mit Grunewaldkiefern − und andererseits auf die Bedürfnisse des Bildhauers und seiner Familie abgestimmt war.
Zwischen zwei parallel gelegenen, streng kubischen Ziegelbauten liegt ein Skulpturengarten. In Kolbes Atelierhaus dominieren die hohen, hellen Arbeitsräume. Das zweite Gebäude enthielt die Wohnräume für die Familie von Kolbes Tochter, aber auch ein Maleratelier für Kurt von Keudell, Kolbes Schwiegersohn. Dort wird das Café Benjamine eingerichtet und das charaktervolle Bau-Ensemble wieder ganzheitlich zugänglich gemacht.
Georg Kolbe arbeitete mit berühmten Architekten
wie Ludwig Mies van der Rohe, Walter Gropius,
Bruno Taut, Hans Poelzig, Erich Mendelsohn
und Henry Van de Velde zusammen.
Auf dem Höhepunkt seines künstlerischen Erfolges (er war der bekannteste deutsche Bildhauer und verkaufte viele seiner Kunstwerke an bedeutende Museen und private Sammlungen im In- und Ausland), entschloss sich Georg Kolbe, einen Atelierhauskomplex nach modernsten Standards zu bauen. Im Mai 1928 erwarb er ein Waldgrundstück an der Sensburger Allee in Berlin-Westend. Kolbe wählte sich den Standort seines künftigen Ateliers bewusst. Im Frühjahr 1927 starb seine Frau Benjamine im Alter von nur 45 Jahren, sie liegt auf dem Friedhof Heerstraße begraben. Offenbar war es der Wunsch des Künstlers einen Rückzugsort am Rande der Stadt und in unmittelbarer Nähe ihres Grabes zu finden. Den durch die rundum verlaufende Mauer burgartigen Charakter strahlt das Ensemble bis heute aus. Als Architekten verpflichtete er Ernst Rentsch (1876–1952), der aus Basel stammte, aber seit längerem in Berlin tätig war; Kolbe hatte ihn1926 porträtiert.

Nordostansicht der Sensburg 1929
Die ersten Planungen unterschieden sich stark vom ausgeführten Atelierhaus. Der Architekt hatte anfangs einen mehrfach abgestuften, stark durchfensterten Baukörper vorgesehen. Das ursprünglich für ihn geplante Wohnhaus wollte er der Familie seiner Tochter überlassen. Im Juli 1928 reichte der Architekt Pläne für Kolbes Atelierhaus ein. Der nun vorgesehene Bau erscheint schlichter und strenger. Kolbe, der begeistert von der Architektur der Moderne war, griff deutlich in die Gestaltung ein. Im Nachlass des Museums finden sich etliche von Kolbe kommentierte Baupläne. Während der Bauphase kam es zu weiteren Änderungen, die die Einfachheit des Baublockes noch mehr betonten.
Ernst Rentsch war bei seiner Planung
behutsam auf die eigentümliche Art
des Grundstückes eingegangen.
Am 31. Juli 1928 waren die neuen Baupläne für Kolbes Atelierhaus geprüft und am 4. August genehmigt worden. Der Hausbau machte schnelle Fortschritte; schon im Oktober stand der Rohbau, Anfang Januar 1929 konnte Kolbe einziehen. Den Bau ließ er, anders als vom Architekten geplant, unverputzt. Die ziegelsichtigen Außenwände betonen den sachlichen Charakter des Gebäudes. Ebenfalls mit großer Geschwindigkeit wurde dann das zweite Haus errichtet und von der Familie der Tochter des Bildhauers im Juni 1929 bezogen.
Ernst Rentsch war bei seiner Planung behutsam auf die eigentümliche Art des Grundstückes eingegangen. Es handelte sich um ein Stück Grunewald, durch das ein von alten Kiefern gesäumter Weg führte, der heute noch erkennbar ist. Parallel zu beiden Seiten des Waldweges wurden die beiden Häuser eingeplant, die Bäume blieben soweit möglich erhalten. Kolbe nutzte den Waldgarten für die Aufstellung einzelner Bronzen, die manchmal ausgetauscht oder umgesetzt wurden.

Blick in Kolbes Wohnatelier und Esszimmer
Kolbes Haus war ganz auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. Die Privaträume waren klein und schlicht, groß und hoch dagegen die Ateliers. Es gab keinen Salon, kein Wohnzimmer, sondern ein ,Wohnatelier‘ mit hochliegenden Fenstern. Hier standen die Bücherregale, Sessel, der große Zeichentisch und einige Plastiken. Der Hauptraum, das große Atelier, ist durch Oberlicht und große Fenster zum Garten ganz durchleuchtet. In der Zeitschrift „Deutsche Kunst und Dekoration“ vom September 1930 schrieb Alfred Hentzen:
„Im schönen Atelier Georg Kolbes stehen die Figuren von Osten, von Süden und von oben beleuchtet fast wie im Freien. Wer den lichten Raum betritt, glaubt sich nicht allein – wäre er auch der einzige Lebende: so sehr sind die Figuren gestaltete Wirklichkeit…“

Atelieransicht Georg Kolbes aus dem Jahr 1930
Der nach außen abgeschottete Bau, der sich großzügig zum Gartenraum öffnet, soll in der Umgebung nicht beliebt gewesen sein. Ein Nachbar beklagte sich: „… Das 5 Meter hohe Ladetor mit seiner Laderampe und die an meinem Grundstück in einer Höhe von 3.10 m gezogene Mauer aus einfachen Hintermauerungssteinen dienen nicht dazu, mir den Charakter eines Villengrundstücks vorzuspiegeln und bilden … eine wesentliche Wertminderung meines Grundstücks.“ Jedoch zeigt die spätere Bebauung in der Umgebung des GKMs auch, wie gut sich die klaren Linien der modernen Architektur durchsetzen konnten. In der Sensburger Allee und Umgebung finden sich mehrere Villen aus den 1920er-Jahren in Anlehnung an das Neue Bauen.
Der Skulpturenhof diente der Aufstellung
großer Plastiken, deren Wirkung im
architektonischen Außenraum er so
simulieren konnte.
Georg Kolbe hatte im Oktober 1930 sein Grundstück erweitern können, schon im November lieferte Ernst Rentsch Entwürfe für einen neuen Ateliertrakt. Nachdem der Architekt im Frühjahr 1931 in die Schweiz zurückgekehrt war, wurden die Baupläne zunächst zurückgestellt. Mit neuen Entwürfen von Paul Linder bemühte sich Kolbe im April 1932 um eine Baugenehmigung. Der Plan sah vor, dass das neue Atelier an einer Stelle der Grundstücksgrenze näher als 5 Meter kam. Der oben zitierte Nachbar verweigerte dazu seine Zustimmung. So wurde nur ein erheblich dezimierter Bau ausgeführt, der nicht die Bauflucht des älteren Ateliers aufnehmen konnte.

Nordwestansicht mit Glas- und Tonatelier (rechts) von Paul Linder um 1950
Im neuen Tonatelier wurden nun die kleineren Figuren modelliert. Besonders wichtig waren für den Bildhauer größere Kellerräume, in denen er Gipsmodelle unterbringen konnte; bis 1932 hatte er dafür sein altes Atelier in der Von-der-Heydt-Straße am Tiergarten beibehalten müssen. Auch später nahm Kolbe noch einige kleinere Bauarbeiten vor. Die Arbeitsterrasse zwischen dem älteren und neueren Atelier wurde 1933 nach vorne durch eine Glaswand abgeschirmt und 1935 von einem Glasdach überdeckt (Tonatelier und der sogenannte Glaspalast wurden 1994 zugunsten des Neubaus abgerissen). Im August 1935 wurde durch Mauern und Pfeiler ein Skulpturenhof vom Garten abgetrennt, er diente der Aufstellung großer Plastiken, deren Wirkung er im architektonischen Außenraum so simulieren konnte.
Georg Kolbe bestimmte in seinem Testament von 1943, dass sein Nachlass mit seinem Atelierhaus in eine zu gründende Georg Kolbe-Stiftung eingehen sollte. 1950 eröffnete es als Georg Kolbe Museum als erstes Museum in Westberlin nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Wohnhaus wurde in den 1970er-Jahren von der Deutschen Klassenlotterie zugunsten der Georg Kolbe-Stiftung erworben. Es wird heute u. a. als Museumscafé genutzt.
In den 1990er-Jahren entstand
anstelle des Tonateliers
ein Anbau, der die
Ausstellungsfläche erweiterte.
In den 1980er-Jahren hat sich das Anwesen über die Präsentation der Sammlung Georg Kolbes hinaus zu einem renommierten Forum für die Berliner Plastik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts entwickelt. Bereits Ende der 1970er-Jahre hatten akute Raumnöte zum Wunsch nach erweiterten Ausstellungsmöglichkeiten geführt. Immer deutlicher zeigten sich die Grenzen dieses für einen Privatmann geplanten Hauses; eine räumliche Erweiterung sowohl der Ausstellungsfläche wie auch der Depoträume war unumgänglich. Der bedeutende Atelierbau sollte dadurch nicht beeinträchtigt werden.

Museumsneubau, Mitte der 90er Jahre
1986 fiel der Beschluss für die Durchführung des geplanten Erweiterungsbaus durch das Berliner Abgeordnetenhaus, doch erst 1993 konnte die Finanzierung durch den Berliner Senat sichergestellt werden. Das Projekt der Berliner Architektengemeinschaft AGP* hatte bereits 1983 den Zuschlag erhalten. Der 1994 begonnene Neubau wurde nach siebzehn Monaten Bauzeit im Sommer 1995 fertig gestellt. Bei der Gestaltung des Erweiterungsbaus oblag es den Architekten mit dem denkmalgeschützten Ensemble behutsam umzugehen und seine Grundstruktur zu erhalten. Wohl aus Platznot wurden das Tonatelier aus den 1930er-Jahren und der sogenannte Glaspalast zugunsten des dreigeschossigen Neubaus abgerissen.
Der Neubau besitzt ein hohes Erdgeschoss und zwei unterirdische Geschosse. Formal nimmt er die strenge Form und Proportion der beiden Künstlerhäuser auf, bleibt aber niedriger als diese und setzt sich durch seine Sandsteinverkleidung von ihnen ab. Der für seine Fassadenverkleidung gewählte afrikanische Sandstein besitzt eine lebendige Zeichnung und bildet so einen Kontrast zur Ziegelfassade des Altbaus.

Untergeschoss Neubau, Mitte der 90er-Jahre
Die zwei neuen Ausstellungsräume liegen übereinander, wobei der größere sich unterhalb des Bodenniveaus befindet. Aufgrund seiner differenzierten Beleuchtungsmöglichkeiten eignet sich der Neubau auch für die Ausstellung lichtempfindlicher Exponate.
2016 wurde das Georg Kolbe Museum, insbesondere das historische Bildhaueratelier erstmals grundlegend saniert. Mit der Sanierung war das Architekturbüro Winfried Brenne beauftragt, eines der renommiertesten deutschen Büros für Sanierungen Moderner Bauten, die unter anderem durch ihre wohlüberlegten rekonstruktiven Maßnahmen an den Meisterhäusern in Dessau hervorgetreten waren.

Hier der Zustand des „Kolbe Schlafimmers“ im September 2015

Blick in den Schrank 2015

Zustand des historischen Mauerwerks im September 2015
Das seit Jahrzehnten blinde Oberlicht im Bildhaueratelier wurde wiederhergestellt und die historischen Fenster und Türen behutsam aufgearbeitet, teils durch originalgetreue Nachbauten ausgetauscht um modernen Museumsstandards zu genügen. Die Ziegelfassaden wurden sorgsam gereinigt und etliche der angegriffenen Steine ausgetauscht. Durch die Umorganisation einiger Räume und die Verlegung der Heizkörper im Großen Atelier wurde mehr Fläche (auch Wandfläche) für die Ausstellungen und zusätzliche Arbeitsräume für die Museumsmitarbeiter*innen geschaffen. Unter anderem ist das ehemalige Esszimmer Georg Kolbe als Museumsshop für die Besucher*innen zugänglich und ermöglicht einen authentischen Einblick, wie das Haus zu Kolbes Zeiten ausgesehen hat.
Im Frühjahr 2020 wird das heute als Café genutzte Nachbargebäude umfassend saniert. Diese Maßnahme erfolgt im Rahmen der denkmalgerechten Wiederherstellung des historischen Gesamtensembles und wird voraussichtlich im Sommer 2020 zum 70. Jubiläum des Georg Kolbe Museums abgeschlossen sein. Das Cafégebäude wurde ursprünglich von Georg Kolbes Tochter Leonore und ihrer Familie bewohnt. Beide Häuser verbindet ein Bildhauergarten, der ebenfalls in die Sanierung einbezogen ist. Wie schon den ersten Bauabschnitt leitet das renommierte Architekturbüro Winfried Brenne die Arbeiten, konzeptioniert durch die Leitung des Museums. Finanziert wird das Vorhaben durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie und das Landesdenkmalamt.
Weiterführende Literatur zur Sanierung und zur Architektur:
Online zu Architektur und Georg Kolbe:
Artikel zur Sanierung 2015/16 aus dem MuseumsJournal
Publikationen zu Architektur und Georg Kolbe:
Barcelona-Pavillon. Mies van der Rohe & Kolbe. Architektur & Plastik
(Hrsg. Ursel Berger, Thomas Pavel; Texte div. Autoren)
2006, Softcover, 192 S., zahlreiche, z. T. farbige Abb., 22,− €
Alle Fotografien sind aus dem Bildarchiv des Georg Kolbe Museums – Duch, Schwarzkopf.