Qin Yufen
11. Oktober – 07. November 1996
PIPAXING ist der Titel einer Ballade von Bai Jiuyi, einem der bedeutendsten Lyriker der Tang-Zeit. Der Dichter besingt darin die Schönheit der Klänge der Pipa, eines lautenähnlichen chinesischen Saiteninstruments. Lange nachdem die Melodien verklungen sind, schwebt ihr Zauber noch über den Zuhörern.
OBERGESCHOSS
TINGQIN – KLANGHÖREN: Ein zarter Vorhang aus dünnen weißen Fäden im Abstand von wenigen Zentimetern grenzt aus dem Obergeschoss des Museums einen rechteckigen Bereich aus; seine vordere Wand wird von der verglasten Längsseite des Raumes gebildet. An dem Garn sind in unterschiedlicher Höhe Kiesel befestigt. Sie scheinen geradezu zu tanzen, erinnern aber auch an Noten. Die saitenartigen Schnüre unterstreichen diesen Eindruck. Bai Jiuyi verglich die Töne der Pipa mit Regentropfen, mit dem Geräusch von Perlen auf einem Jadeteller – auch daran lassen die Steine denken. Im Inneren dieses transparenten Raumes schaffen Tatami-Matten eine Atmosphäre ähnlich derjenigen in traditionellen japanischen Häusern und Gartenpavillons. Gleich könnte eine Zeremonie stattfinden, jemand könnte sich setzen und meditieren (die japanische Sprache hat ein Wort für „sitzen“ und „meditieren“). Die Besucher dürfen allerdings nur in ihrer Vorstellung Platz nehmen und der Stille lauschen. Wie viel schöner ist die Stille, der Nicht-Klang als der Klang, heißt es bei Bai Jiuyi.
Qin Yufen setzt damit die Serie ihrer Arbeiten mit Fäden fort. Diese stellen in ihrem Werk eine ähnliche Konstante dar wie die Wäscheständer, die sie etwa 1995 bei „Frühling in der Jadehalle“ im Alten Museum einsetzte. Beide Materialien assoziiert die Künstlerin mit Saiten, mit Musik.
UNTERGESCHOSS
GUANG QU – LICHTKLANG: Hier können die Besucher den Klängen der Pipa lauschen. Sie dringen, allerdings verfremdet, aus kleinen Lautsprechern. Diese sind an einem 16 m langen und 3,8 m hohen Vorhang aus Transparentkupferkabel festgemacht. Kabel und Fäden gehören für Qin Yufen zu einer Familie. Trotz seiner Länge, Höhe und seines durchaus beträchtlichen Gewichts vermittelt der Vorhang den Eindruck, schwerelos und ohne Substanz zu sein (wie die Töne der Pipa). Er scheint in der Lichtzone unter dem Glasdach zu schweben.
Im Begehen des Raumes eröffnen sich vielfältige individuelle Klangerlebnisse, Perspektiven und Raumerfahrungen. Qin Yufen hat eine große Affinität zum Theater, zur Oper. Ihre außerordentliche inszenatorische Begabung und ihr Bemühen, das Publikum zu involvieren, zeigen sich auch in dieser Arbeit.
QIN YUFEN
Geb. 1954 in Shandong, lebt und arbeitet in Berlin. 1980–85 Untergrundausstellungen in Peking. 1986–87 Stipendiatin im Künstlerhaus Bethanien, Berlin. 1988 Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.